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Einige Gedanken zur Bewertung der Entwicklung in Afghanistan

In den 1980er Jahren versuchte die damalige afghanische Regierung mit Unterstützung der Sowjetunion die Frauenrechte durchzusetzen. Das war ein wesentlicher Grund für die Mudschahedin, diese Regierung zu bekämpfen. Dabei wurden sie von verschiedenen NATO- und verbündeten Staaten unterstützt und ausgerüstet. Die Behauptung, die Bundeswehr hätte in Afghanistan Frauenrechte verteidigt, ist daher unglaubwürdig. Die Ausrüstung der Mudschahedin erfolgte dabei mit modernsten Waffen, auch solchen, mit denen Flugzeuge und Hubschrauber abgeschossen werden konnten. Diese Waffen konnten später auch gegen die waffenliefernden Staaten eingesetzt werden.
Nachdem die afghanische Regierung gestürzt war, verloren die unterstützenden Staaten zeitweise das Interesse an Afghanistan. Die verschiedenen Mudschahedin-Fraktionen bekämpften sich gegenseitig. Dieser Bürgerkrieg verstärkte in der afghanischen Bevölkerung den Wunsch, dass es eine einheitliche Regierung gibt, die diesen Bürgerkrieg beendet und eine relative Stabilität sichert. Das förderte die Herrschaft der Taliban in einem Großteil Afghanistans.
Unter dem Vorwand der Anschläge vom 11.9.2001 überfielen verschiedene NATO-Staaten und Verbündete Afghanistan. Eine Verhandlungslösung wurde von diesen Staaten abgelehnt. Es wird vermutet, dass es um die Durchsetzung eines Pipeline-Projekts durch Afghanistan ging. Inzwischen wird auch von den Bodenschätzen in Afghanistan und anderen wirtschaftlichen Interessen gesprochen. Als der damalige Bundespräsident Horst Köhler diese Interessen zugab, musste er zurücktreten. Aber inzwischen wird selbst von Teilen der Bundeswehr zugegeben, dass alle humanitären Ziele nur vorgeschoben waren.
Außerdem verbreiteten die Bundeswehr und ihre Verbündeten Krieg, Tod, Leid und Zerstörung in Afghanistan, z.B. beim Kundus-Massaker, befohlen von Oberst Klein, der später zum General befördert wurde, und bei den über die Basis Ramstein gesteuerten gezielten Tötungen mittels Drohnen mit sogenannten Kollateralschäden, also der Tötung von Zivilpersonen. Teilweise geschah dies, weil die Besatzungstruppen die Bevölkerung durch ihr brutales Vorgehen zur Feindin gemacht haben, sie deshalb als feindlich erlebt haben und sich mit allen Mitteln vor möglichen Angriffen schützen wollten. Aber beim Kundus-Massaker haben selbst die US-amerikanischen Bomberpiloten gefragt, ob sie wirklich schießen sollen, weil sich offensichtlich Zivilpersonen an dem Tanklastwagen aufgehalten haben. Außerdem bestand keine unmittelbare Gefahr für die Besatzungstruppen, weil der Tanklastwagen ja feststeckte. Somit hätte der Angriff nie durchgeführt werden dürfen. Dass die BRD-Regierung und bundesdeutsche Gerichte dies bis heute rechtfertigen, zeigt neben der Beförderung von Oberst Klein, dass sie dieses Vorgehen befürworten.
Der Abzug aus Afghanistan erfolgte nicht aus Einsicht oder Friedensliebe, sondern weil die eingesetzten materiellen und personellen Ressourcen nicht zum Erfolg führten und das Militär eher als Drohpotenzial gegen China und Russland benötigt wird.
Müsste nicht somit beim Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und anderen Ländern von Gewalt und Zwang zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Herrschaftsinteressen gesprochen werden? Fördert nicht die Aggression von Seiten der NATO die gewaltsame Gegenwehr? Wäre somit nicht der wichtigste Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus die Entwaffnung und Auflösung der Bundeswehr und der NATO und der Übergang zur Lösung von Konflikten zwischen Staaten und Staatengruppen durch Verhandlungen statt durch Militäreinsätze und die Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit?
Der bisherige Präsident Afghanistans ist aus dem Land geflohen. Sein Gegenkandidat bei der jüngsten Präsidentenwahl und Gesprächspartner u.a. der Taliban ist geblieben. Logisch: Der Präsident musste den Willen der Besatzungsmächte erfüllen und damit gegen den Willen der Bevölkerung handeln. Das ist ein weiterer Beweis für die Demokratiefeindlichkeit der Besatzungsmächte einschließlich der Bundesregierung. Andere konnten mehr Rücksicht auf die Bevölkerungsinteressen nehmen und brauchten somit weniger von den Taliban zu befürchten.
Zur Flucht: Auffällig ist, dass die Bundesregierung die Flucht ihrer Hilfskräfte durch bürokratische Hürden solange hinausgezögert hat, bis die Taliban die Herrschaft übernommen haben. So wurden alle Hilfskräfte, die nicht in Kabul leben, an der Flucht gehindert. Dann sendeten sie wieder die Bundeswehr, statt eine möglichst effektive Hilfe zu leisten. Es wurden auch nicht erst einmal alle Personen ausgeflogen, die flüchten wollten, um sie dann im Ausland auf die verschiedenen Zielländer zu verteilen, sondern nur ausgewählte. Das führte dazu, dass nach verschiedenen Berichten verschiedene Flugzeuge fast leer abflogen, von den Besatzungstruppen Menschen am Kabuler Flughafen getötet wurden oder Menschen starben, weil sie sich an die Flugzeuge klammerten. Auch das zeigt die Menschenverachtung der Bundesregierung.
Dass es auch anders geht, zeigen verschiedene Hilfsorganisationen, die im Interesse der Bevölkerung mit den Taliban über die Fortsetzung ihrer Einsätze verhandeln.
Auch die Abschiebungen nach Afghanistan wurden bis vor Kurzem durchgeführt und sollen bald wieder aufgenommen werden. Wie sogar der Deutschlandfunk zugab ("Seehofers 69": 06./09.07.2021), waren darunter nicht nur Kriminelle, sondern viele gut integrierte Personen. Auch dies zeigt die Menschenfeindlichkeit der Bundesregierung.
Die traumatischen Erfahrungen der Bundeswehr-Angehörigen sollten nicht dazu genutzt werden, diese Auslandseinsätze zu rechtfertigen und sie zu ehren. Stattdessen ist dies ein weiterer Grund dafür zuzugeben, dass sie für grundgesetzwidrige Ziele eingesetzt wurden und deshalb diese Einsätze schnellstmöglich beendet werden sollten.
Man kann noch nicht einmal sagen, dass die Ziele der BRD und USA gescheitert sind. Die verkündeten Ziele, wie z.B. Aufbau eines Staates Afghanistan nach westlichem Vorbild, Terrorbekämpfung, Aufbau von Mädchenschulen, Brunnenbohren, wurden nicht erreicht, aber wie erwähnt, auch nie ernsthaft verfolgt. Eine Unterwerfung Afghanistans und die Einsetzung einer stabilen Marionettenregierung wurden zwar auch nicht erreicht, aber dafür große Zerstörungen verursacht.
All dies zeigt, dass es der Bundesregierung nie um die Menschen in Afghanistan, sondern um die Durchsetzung ihrer Herrschaftsinteressen ging und sie dabei keine Rücksicht auf Menschenleben, zumindest nicht der Afghan(inn)en genommen hat.

Uwe und Bernd, Rückfragen und Meinungsäußerungen per E-Mail bitte an agvisionen bei attac-dresden in de ("bei" und "in" bitte ersetzen)